Scheißspielerinnen

Können Frauen komisch sein? Das energetische Duo Projekt Schooriil beantwortet diese Frage seit 2013 in seiner Late Night Show an den Berliner Sophiensaelen mit Ja. Die Show genießt in Berlins freier Theaterszene Kultstatus als Reflexionsbude zweier selbsternannter Diven, die mit grimmiger Systematik all jene Zumutungen auf die Schippe nehmen, die ihnen in im Berufsalltag begegnen.
Anne Haug und Melanie Schmidli lernten sich vor zwanzig Jahren in ihrer Heimatstadt Basel kennen und studierten später gleichzeitig an der Universität der Künste Berlin. Nach einigen Engagements an deutschen Bühnen traten beide den Weg in die Freiheit an. Zu fremdbestimmt waren die Strukturen, es fehlte die Möglichkeit, Intellekt und komisches Talent auszuleben.
Als freie Schauspielerin braucht man ein Demoband. Als die beiden in Showreels im Netz stöberten, waren sie von der reproduzierten Klischeehaftigkeit der meisten Inhalte elektrisiert. Absurd stereotype Geschlechterbilder wohin man sah. Weil der Markt es so will, weil es den Sehgewohnheiten entspricht. Weil es der Norm entspricht.
Wer in der Welt der Repräsentation Neues schaffen will, muss sich die Konventionen vorknöpfen, auch in der eigenen Gedankenwelt.
Projekt Schoorill wurde geboren: eine virtuos authentische Late Night Show, branchen- und genderkritisch. Die beiden „Scheißspielerinnen“ Anne und Melanie, Alter-Egos der Macherinnen, stehen während der Show stets im Mittelpunkt. In jeder Show bearbeiten sie ein anderes Thema und nutzen, um den Stereotypen auf die Schliche zu kommen, Fotos und Aufzeichnungen vergangener Produktionen. Hinzu kommen mit dem Videokünstler Kai Wido Meyer produzierte Videoclips.
„Krisis“ war das Thema im Januar 2018: Filmstills auf einer Leinwand stimmen beim Einlass aufs Thema ein. Berühmte Schauspielerinnen mit tränenfeuchten Augen: Das vertraute Bild der weiblichen Krise, die nun auseinandergenommen wird. Anne Haug und Melanie Schmidli ziehen im großmäuligen Gestus derjenigen, die wissen, wie der Hase läuft, Lehrmeinungen heran, zitieren aus den Biographien berühmter KollegInnen, referieren pseudowissenschaftliche Erkenntnisse, differenzieren geschlechtertypisch, was Krise eigentlich ist. Und geraten immer tiefer ins Spiel, bis sie sich über Schwierigkeiten sich auf den nächsten Termin zu einigen, selbst in eine handfeste Beziehungskrisis geschraubt haben.
Mit Lust an großen Gesten und Entgleisungen jeglicher Art treiben die beiden ihre Bühnencharakere an den Rand der Konventionen, sind obsön und albern, jämmelich und großkotzig. Und je breitbeiniger sie ihr Selbstbewusstsein zur Schau tragen, desto selbstbewusster juchzt das Publikum über die Aneignung, die Persiflage von Chauvi-Gehabe. Subvrsiv ist diese Methode vor allem, weil sie Sexyness konsequent hinten anstellt.
Wahrhaftig wird sie, in dem die Scheißspielerinnen ihre realen Bedrängnisse als Anschauungsmaterial in den Kontext der Show einbringen, ohne je aus der Kunstfigur zu fallen. Die Themenfindung, das Texten, die szenischen Erfindungen, alles passiert unter enormem Zeitdruck im engen Dialog, bis in der nächsten Stufe ausprobiert und arrangiert wird, oft bis kurz vor Beginn der Vorstellung.
Projekt Schooriil ist ein singuläres Format, Live-Lab zweier Schauspielerinnen, die in jeder Folge aufs Neue Darstellungskonventionen befragen und – zwecks Überwindung – mit alternativen Sprech- und Spielweisen experimentieren. Ein stetiger Abgleich zwischen Klischee und Echtleben: Wie zeichnet er sich wirklich aus, der positive Schwangerschaftstest auf dem Gesicht einer Frau ohne KInderwunsch? Keine Ahnung! Projekt Schooriil lotet es aus in seiner Serie über des Making of Gender auf den Brettern, die die Welt bedeuten.