Ödipus und Antigone

Auf halsbrecherischen Pumps statt Kothurnen balancierend (Kostüme Josa Marx), streiten Orit Nahmaias und Yousef Sweid eingangs, wer von beiden den ehrenhaften Eteokles, wer den verstoßenen Polyneikes spielt. Sie Israelin, er Palästinenser, zoomen sie durchaus komisch das Geschehen von der Antike ins Hier und Jetzt.
Regisseur Ersan Mondtag schluckt den antiken Stoff, kaut darauf herum, um ihn dann inhaltlich wie ästhetisch absolut souverän auf die Bühne des Gorki Theaters zu rotzen.
Aus Verdrängung, Machtmissbrauch und menschlicher Hybris ist die Leidensgeschichte des übel vorbelasteten Ödipus, Antigones Vater, gemacht. Der verhärtete Machtkomplex der Polis bildet den Resonanzraum seiner individuellen Tragödie, die zu noch mehr Leid, zum Untergang der Stadt führen wird.
Benny Claessens exaltiertes, zugleich anrührendes Spiel lässt den Ödipus zur schillernden Identifikationsfigur werden und gibt dem Abend Tiefe. Greisenhafte Masken und schleppender Gang, das restliche untote Personal Thebens bewegt sich zwischen einem grellweißen amerikanisches Holzhaus, in dem es sich später ängstlich vor Antigone verschanzen wird und der Showtreppe, dem Stolpergelände der Herrschenden (Bühne Julian Wolf Eicke, Thomas Bo Nilsson).
Musik dräut, verstärkte Stimmen hallen, Kostüme leuchten, Mondtag jongliert mit Effekten und ästhetischen Zitaten und kommt auf sehr eigene Art zum Punkt.