Bei Sintflut gibt es Flunder

Santinis Production präsentieren Noah Haidles Stück „Alles muss glänzen“ mit Maria Furtwängler

Während um sie herum die Welt untergeht, kocht Rebecca – wie passend – ein neues Fischrezept und lauscht dem Wunschkonzert von Moby Disk. Apokalyptische Fluten, gestrandeter Wal oder Selbstmord der Nachbarin, Rebecca trotzt den Katastrophen des Lebens mit dem Prinzip Haushalt. Komme, was da wolle, sie hält den Lieben in der Ferne das Essen warm. Nachbarin Gladys hat vor fünf Minuten ihren Mann und sich selbst gerichtet. Kurz darauf schlägt Rebecca mit dem Bügeleisen einen Vergewaltiger in die Flucht.
„The Homemaker – Alles muss glänzen“, die so schräge wie tiefschürfende Hommage an das aufopferungsvolle Dasein einer Hausfrau, stammt aus der Feder des preisgekrönten amerikanischen Autors Noah Haidle. Hierzulande kapert der 38jährige mit witzigen Dialogen, starken Frauenrollen und endzeitlichen Szenarien gerade die Spielpläne. Das Fachblatt „Theater heute“ kürte „The Homemaker“ 2015 zum Besten Ausländischen Stück des Jahres.

Haidles Werk ist jetzt erstmals in Berlin zu sehen. Die Theaterenthusiasten von santinis production um Produzenten und Schauspieler Ivan Vrgoč haben bereits bei der santinis Erfolgsproduktion „Eine Familie“ den israelische Star-Regisseur Ilan Ronen mit der Inszenierung betraut.
Vrgoč mag US-Dramatik weil das Well-made-plays im besten Sinn des Wortes seien. „Sie holen das Publikum ab, sind zeitgemäß, ohne zu viel Kunst zu wollen. Die Dialoge sind treffsicher, gut geschrieben. Und sie bringen auf den Punkt, was im Theater am meisten aufregt und berührt: die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen.“ Amerikanische Stücke bieten Futter für Schauspieler, die gern psychologisch arbeiten. Genau das interessiert Produzenten Ivan Vrgoč und seine Mitstreiter. Und genau das bieten sie dem Publikum in meist hochkarätiger Besetzung.

So wird in „Alles muss glänzen“ die wie verrückt liebende Rebecca ausgerechnet von der kühlen Blonden des deutschen Fernsehens gegeben: Maria Furtwängler als notorische Gemütlichmacherin? Das sei eben nur auf den ersten Blick gegen den Typ besetzt, sagt Vrgoč. Er erzählt, wie erstaunt er gewesen sei, Furtwängler vor Jahren beim Schauspielworkshop mit Larry Moss 2010 auf einer Berliner Hinterhofbühne zu treffen. Unter anderen tollen Kollegen, die darauf brannten, sich zu entwickeln. Das war der Gründungsimpuls zu Santini: Schauspieler wählen Stoffe und Regisseure selbst. Mit der Besetzungsentscheidung für Furtwängler, die damit seit „Gerüchte…Gerüchte“ 2013 ihren zweiten Ausflug auf die Theaterbühne wieder beizu den Santaini-Kollegen macht, schließt sich für Vrgoč ein Kreis. „Wie Rebecca ist auch Furtwängler nicht bereit, den Status Quo zu akzeptieren, beide sind getrieben von Sehnsucht. Die intensive Suche bis zum Schluss, das haben Aktrice und Rolle gemein.“

In einer anderen Zeitzone, ein vegetarisches Linsengericht vor sich auf dem Teller, ist der Autor Haidle endlich bereit, per Mail ein paar Kommentare abzugeben. Darauf angesprochen, dass im Stück philosophische Fragen des Lebens und Schminktipps auf gleichem Level behandelt würden, elektrisierend lebensecht, schreibt er: „Ich esse Linsen und meine Füße schwitzen, so gönn ich mir nach dem Essen ein Paar neue Socken. Und ich weiß, wenn ich eines Tages sterbe wird es sein, als hätte mein Bewusstsein nie existiert. Diese Ebenen existieren nun mal gleichzeitig, in jeder Sekunde.“ Die beste Methode mit Endlichkeit umzugehen sei es, alles zu geben in dem, was man tue, auch wenn es banal erscheint. Wie Rebecca. Deren Vorbild durchaus biografisch ist: „Meine Mutter hat ihre Träume aufgegeben, um mich und meinen Bruder groß zu ziehen. Klaglos und ohne Applaus zu erwarten. Gibt es eine treffendere Definition für Heldentum?“ Vielleicht nicht. Aber groß sind Haidles Texte, weil sie die immense Erschöpfung seiner tragikomischen Weitermacher nicht unterschlagen.