Glaube Liebe Hoffnung

Als kapitalistische Passionsgeschichte deutet das Gefängnistheater aufBruch Ödön von Horváths Totentanz „Glaube Liebe Hoffnung“ aus dem Jahr 1932. Brutal zu Boden gepresst, buchstäblich niedergemacht, wird die Hauptfigur Elisabeth von ihren Schuldigern, denn sie hat als Vertreterin zu wenig Umsatz gemacht, kann ihre Schulden nicht bezahlen.
Mit sicherem Gespür für Stoff und Ort bringt das aufBruch das Stück ab 20. Juli in der evangelischen St. Johanniskirche in Berlin-Moabit zur Aufführung. Der Knast ist gegenüber, das Selbstmordgewässer Spree auch nicht weit. Elisabeth schuldet nicht nur der Chefin Geld, sondern auch dem Präparator des Anatomischen Instituts. Und weil es schlecht läuft, landet die kleine Handelsvertreterin im Gefängnis, Abwärtsspirale unlimited, unhappy Ending garantiert.
In deutlichen, starken Bildern wird die Geschichte interpretiert. Texte aus dem Alten Testament, von Roswitha von Gandersheim, Alfred Döblin und Elfriede Jelinek lenken die Aufmerksamkeit auf Elisabeths widerständigen Charakter. Zäh aber vergeblich kämpft sie um Recht und Gerechtigkeit. Der Regisseur Peter Atanassow hat ein kraftvolles Ensemble von dreißig Freigängern, Ex-Inhaftierten, Schauspielern und Berliner Bürgern um sich versammelt, Akteure, deren Physis und Mimik immer auch von den eigenen ungeraden Wegen erzählt.
„Es geht nicht ums Verstehen, es geht ums Gehorchen“ sagt der Präparator einmal zu Elisabeth. Genau das, die Unterwerfung, ist es, was Elisabeth nicht leisten will. Und die Akteure wissen genau, wovon sie da erzählen. Vom Versuch, das Stigma Gefängnis abzuschütteln, vom Anspruch auf einen Platz in der Gesellschaft. Regisseur Atanassow hat keine Angst vor großen Gefühlen: Wuchtig beschwört der Chor vor dem mittelalterlichen Altarbild mit den Worten des berühmten Korintherbriefs die Kraft der Liebe. Das hat Gänsehautpotential.
Seit fast zwanzig Jahren macht AufBruch Kunst im Knast und außerhalb. Das Team behandelt die Spieler als Kollegen, verlangt Probendisziplin, sucht Auseinandersetzung über Schuld und Verantwortung. Dass bei Außenproduktionen wie der aktuellen auch Akteure mitmachen, die ohne Strafregister unter professionellen Bedingungen Theater spielen wollen, wirkt zusätzlich integrativ. Auch künstlerisch überzeugt das Projekt. Atanassow hat ein Händchen dafür, den einzelnen Akteur innerhalb der Gruppe zum Leuchten zu bringen.