Die Schauspielerinnen Anne Haug und Melanie Schmidli nehmen sich in „Projekt Schooriil“ ein probates Mittel des Selbstmarketings vor und vergrößern Klischees ins Absurde
Bewerbungsvideos bieten dem Eigenmarketing neue Dimensionen. In den USA bereits in vielen Branchen üblich, spielen sie hierzulande nur im Showgeschäft eine Rolle. Showreel heißen solche Schauspieler-Referenzvideos. Das „Projekt Schooriil“, das die Schauspielerinnen Anne Haug und Melanie Schmidli seit zwei Jahren sehr erfolgreich als Serie an den Sophiensaelen produzieren, nimmt sich dem Thema eher spöttisch subversiv an. Haug und Schmidli loten die Komik der bedingungslosen Zustimmung, des totalen „Ja“, zu den Zumutungen ihres Berufs aus. Unversehens lassen sie das, was sie kritisieren, das Schauspielerdasein, hinter sich.
Haug und Schmidli emanzipieren sich als Künstlerinnen, indem sie selbst Erlebtes öffentlich durch den Kakao ziehen – und das Konzept zündet sogar als Showreel, in „Projekt Schooriil“ natürlich nicht als Konserve sondern live als selbstironische 3D-Visitenkarte, die potentiellen Rollenbesetzern die Fähigkeiten „eines Scheißspielers oder einer Scheißspielerin“ demonstriert.
Haug und Schmidli haben für ihre virtuos authentische Spätabendshow eigene Begrifflichkeiten und sich selbst als die Kunstfiguren Anne und Melanie erfunden. Unter Überschriften wie „Mut zur Hässlichkeit“, „Kapital Migration“ und „Sex und Charity“ arbeiten sie sich im Making-of-Modus am aufreibenden Selbstoptimierungsimperativ der Branche ab, speziell an den klischeehaften Darstellungsaufträgen des weiblichen Bühneninterpreten: Die unglücklich Liebende, die sexuell frustrierte Karrierefrau, beliebte Muster, die in der Show aufgegriffen und ins Absurde vergrößert werden.
Die 1982 geborene Schmidli war Mitglied im Berliner Ensemble und Centraltheater Leipzig, die zwei Jahre jüngere Haug spielte am Gorki und war am Theaterhaus Jena engagiert. Beide haben also einige Jahre Dienst an Stadttheatern hinter sich, spielten dazu in diversen Filmproduktionen. So plaudern sie nun aus dem Nähkästchen eigener komischer bis leidvoller Erfahrungen auf Proben oder am Set. Unvorteilhaftes Filmmaterial aus Drehs und Bühnenproduktionen wird vorgeführt und fröhlich kommentiert. Gejohle im Saal, wenn die beiden heftigste Kränkungen und sexistische Grenzüberschreitungen von Kollegen und Regisseuren treuherzig als wertvolle Erfahrungen verbuchen. Affirmation als feministische Praxis? Klingt erst mal wenig kämpferisch und ist doch äußerst subversiv. Der Witz speist sich in der schrägen Show aus dem gemeinsamen Wissen über die fast totalitären Anpassungszwänge, die der Beruf mit sich bringt. „Die Freiheit der Kunst wird gern herangezogen, um Beleidigungen und Sexismus zu rechtfertigen.“
Auf die Idee, die tabuisierten Subtexte ihres Arbeitslebens zum Thema zu machen, sind Haug und Schmidli gekommen, als sie sich im Internet Showreels ansahen. Die Kurzfilme mit Arbeitsproben, in denen Schauspieler sich in verschiedenen, oft selbst inszenierten Szenen präsentieren, provozieren die beiden durch ihre frappierende Humorlosigkeit. Gleichzeitig entdecken sie darin jede Menge Stoff für eine kritische Reflexion des Berufs. Haug und Schmidli spielen unter dem Label „virtuos authentisch“ vor der Videokamera nach, was andere für ein authentisches Bild von sich hielten, posten das Ergebnis bei Facebook und lösen damit Heiterkeit und Begeisterung in der Szene aus. Davon angespornt entwickeln die beiden die Bühnenserie.
Dass diese so gut ankommt, liegt auch daran, dass das Thema über den Tellerrand des Theater- und Filmbetriebs hinausweist. Denn die tragikomischen Selbstdarstellungsexzesse, wie sie in hunderten von Showreels zu besichtigen sind, sprechen Bände über Marketingzwänge der Selbständigen allgemein. Auch Ich-AGler, Freiberufler und Kleinunternehmer müssen ihre Haut zu Markte tragen und dabei frisch und echt rüberkommen.
Die affirmative Transparenz erweist sich bei „Projekt Schooriil“ als listige Strategie einer künstlerischen Selbstbehauptung. Das Selbermachen schafft zudem Genugtuung gegenüber den früheren Regisseuren. „Selbstoptimierung ist niemals abgeschlossen“, verkünden Anne Haug und Melanie Schmidli mit Augenzwinkern. In der nächsten Folge, wegen großer Nachfrage inzwischen doppelt angesetzt, geht es um die brenzlige Frage, wie die natürlichen Feinde der „Scheißspielerin“ von wichtigen beruflichen Kontakten zu unterscheiden sind. Und es wird endlich geklärt, ob sie für oder von ihrem Beruf lebt.
25. und 26.3., 21 Uhr, Sophiensaele. Von und mit Anne Haug und Melanie Schmidli. Eintritt 13, erm. 8 Euro. www.projektschooriil.de