Das Ballhaus Naunnynstraße bringt Aboud Saeeds schwarzhumorig-politische Facebook-Meldungen aus dem Alltag im syrischen Bürgerkrieg auf die Bühne
Während des arabischen Frühlings erreichte der Syrer Aboud Saeed mit seinen „Statusmeldungen aus der befreiten Zone“ seines Facebook-Profils Kultstatus in der arabischen Welt. Im Jahr 2013 erschien die Kurzprosa unter eben diesem Titel „Der klügste Mensch im Facebook“ in Deutschland als Buch und wird nun am Ballhaus Naunynstraße auf die Bühne gebracht.
Seit zwei Jahren lebt Saeed als Flüchtling in Berlin. Er schreibt gerade an einem Roman. Aber nicht, was wir denken. Keine dramatische Fluchtgeschichte, keine Anklage. „A simple story“, eine einfache Geschichte, wolle er erzählen, erklärt der 30-jährige Syrer bei unserer Begegnung im Ballhaus Naunynstraße, die mit einer Enttäuschung beginnt: „Was? Sie sind nicht vom Fernsehen?“ Ein popliges Gespräch für die Zeitung hätte man doch am Telefon in fünf Minuten hinter sich bringen können. Die Entrüstung ist gespielt, eine Strategie, die ihn vor Zudringlichkeit schützt. Aboud Saeed provoziert gern und äußerst charmant.
Aber dann redet er doch. Nur nicht über Syrien. Schon gar nicht über Flüchtlinge. Dazu bitte keine Fragen. Er sei kein Vorzeigesyrer. Auch als Schriftsteller oder Künstler will Saeed sich nicht sehen. Klar, er schreibe ab und zu, aber deshalb gleich hauptamtlicher Autor? Es ist schwer zu sagen, ob es sich hier um falsche Bescheidenheit handelt oder eine listige Form des Understatements. Immerhin lebt Saeed zur Zeit von einem Autorenstipendium des Berliner Senats. Und er schreibt regelmäßig für das Vice Magazine. Und so kommt er doch wieder aufs Schreiben zu sprechen, das inzwischen anders sei als auf Facebook. Mehr so, wie er spreche. Nicht, dass er besser geworden sei, oder sich entwickelt habe. Das auf keinen Fall!
Saeed stemmt sich gegen Deutungen jeder Art, vor allem gegen naive Fortschrittsgedanken. Er scheint nicht nach vorn, sondern zurück zu wollen. Zwar hat sein Ruhm als „Pseudo-Dichter“ die Ausreise nach Deutschland ermöglicht. Aber in Syrien, vor dem Krieg, als Schmied, mit seiner Familie war alles einfacher. Und in Saeeds Perspektive heißt das: besser.
Die Uraufführung seiner Facebook-Texte am Ballhaus Naunynstraße wird mit Spannung erwartet. Karim Chérif, Regisseur der Produktion, interessiert am meisten, wie der Autor das Netzwerk Facebook als Bühne für seine Gedanken nutzt: „Statusmeldungen als Literatur, eine geniale Idee. Man hat das Gefühl, ganz nah dran zu sein.“
Damals sendete Saeed via Facebook Schlaglichter aus seinem Alltag in Manbidsch, einem kleinen Städtchen in der syrischen Provinz Aleppo, in die Welt: Wie er seiner Mutter das Rauchen beibringt, wie sie bei den Nachbarinnen angibt, er sei der klügste Mensch im Facebook, wie er von der Demo abhaut, als die Sicherheitskräfte aufkreuzen, nicht zuletzt, wie er hofft, dieses oder jenes Mädchen möge endlich anrufen.
Der Regisseur schätzt die sprachliche Qualität, die Schärfe und Poesie des Textes. Saeed dagegen kokettiert, er würde den Kunstanspruch lieber revidieren. „Zu viel Literatur“, findet er heute. „Nicht einfach genug.“ Für die Bühne ist das allerdings erfreulich. Zusammen mit der jungen Dramatikerin Azar Mortazavi hat Chérif für die Bühnenfassung einen Bogen herausgearbeitet. Viel mehr verraten will er nicht. Nur so viel: Zu erwarten sei eine fulminante Show darüber, wie ein bis dato unscheinbarer Mensch das Internet für seine ganz persönliche Revolution nutzt.
Neben der Schauspielerin und Musikerin Bärbel Schwarz steht Chérif selbst als Performer auf der Bühne, special Guest: Aboud Saeed. Die persönliche Revolution ist fortgeschritten, das einfache Leben weit weg. Der kluge Aboud Saeed hat sich davon verabschiedet, als er am 30. Dezember 2011 um 0.07 Uhr die erste Statusmeldung veröffentlichte: „Ich werde alles schreiben, was ich gerade denke, über die Leere, die aus mir einen Pseudo-Dichter gemacht hat.“