Der ungarische Regisseur Andras Dömötör inszeniert Jarrys „König Ubu“ an der DT Box als herrlich ausgeflipptes Kindertheater für Erwachsene
„Merdre“ zu Deutsch „Schreiße“ ist das erste schöne Wort, mit dem der fette, dumme König Ubu seine Bühne betritt. Angeblich bereits als Gymnasiast parodierte Schriftsteller Alfred Jarry mit seinem Stück das klassische Historientheater á la Shakespeare. Vorbild des Tyrannen soll sein Physiklehrer Hérbert gewesen sein.
Die Handlung: der fette Ubu wird von der machtgierigen Mutter Ubu zum Staatsstreich gegen den ehrbaren König Wenzelslaus angestiftet. Mit Unterstützung des Hauptmanns Bordure gelingt die blutige Übernahme. Auf dem Thron angekommen, beschließt Ubu die Adligen und Beamten des Staates enthirnen zu lassen, Richter und Finanzwelt werden in die Wüste geschickt. Ubu treibt die völlig überhöhten Steuern ab sofort persönlich ein und versetzt seine Untertanen in Angst und Schrecken. Wer nicht spurt, wird entsorgt. Eventuelle Ähnlichkeiten zu Staatsoberhäuptern der Gegenwart sind rein zufällig. Na? Irgendwelche Ideen?
Geradezu kongenial hat der ungarische Regisseur Andras Dömotör den Klassiker der Dada-Literatur in der Kasperletheaterbühne von Sigi Colpe in Szene gesetzt. Am spielfreudigen Dreigestirn Elias Arens, Božidar Kocewski und Linda Pöppel kann man sich kaum sattsehen. Marionettenhaft und mit einer grandiosen Mischung aus Leichtigkeit und Überzeichnung, einer irren Lust an der Verwandlung, an Schaumstoffpuppen und Knarren, die aus zwei gestreckten Fingern bestehen, geben sie dem Affen Zucker. Anspielungen auf aktuelle Ubu-Plagiate im Politgeschehen inklusive. Das ist intelligent, unverkrampft und trotz Trash mit enormer Liebe zum Detail inszeniert. Wenn Ubu und Bordure sich beim Superhelden Showdown wieder und wieder mimisch umnieten, ist die Kinderzimmerschlacht für Erwachsene perfekt: Brutal, lustig und voller Energie. Dank Schauspielkunst, raffiniertem Sound und toller Ausstattung ist hier sinnliches, böses Theater auf der Höhe der Zeit zu sehen. Hingehen!