Monika Gintersdorfer vom Performer-Duo Gintersdorfer/Klaßen über ein von ihr kuratiertes ivorisches Festival, professionelle Kinderstars und den Rassismus beim Tanz
In Abidjan/Elfenbeinküste findet bis 4.Juli das Performance-Festival Abidjan Mouvement statt. Initiiert und kuratiert wird es vom deutschen Künstlerduo Gintersdorfer/Klaßen, das die Regisseurin Monika Gintersdorfer und der Bildende Künstler Knut Klaßen bilden. Sie zeigen auch Eigenproduktionen, darunter das aus Deutschland importierte Stück Logobi 01, das aus einer Zusammenarbeit mit ivorischen Performern als Reihe hervorgegangen ist. Es geht darin um die Verständigung über Tanzformen ivorischer und deutscher Tänzer und Schauspieler: Man zeigt die eigenen Tänze, die gleichzeitig erklärt werden und der andere tanzt nach und übersetzt. In Deutschland zeigt Gintersdorfer/Klaßen seine Inszenierungen, die irgendwo zwischen Live-Art und Inszenierung liegen in den Sophiensaelen Berlin, auf Kampnagel in Hamburg und am Düsseldorfer FFT.
Freitag: Wie ist es zur Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den ivorischen Tänzern gekommen?
Bei einem Showauftritt des ivorischen Stars Solobeton in Hamburg haben wir den Tänzer Franck Edmond Yao kennen gelernt. Die von ihm gezeigten tänzerischen Formen waren so eigenwillig, dass wir damit weiterarbeiten wollten. Er reagiert direkt auf die vom Sänger oder DJ ausgerufenen Parolen. Diese Kombination von Bewegung und Text bestimmt seither unsere Aufführungen, auch wenn wir Themenbereiche außerhalb des Showbiz berühren. Franck Edmond Yao hat uns weitere ivorische Tänzer vorgestellt, die sowohl aus dem traditionellen als auch modernen afrikanischen Tanz kommen.
Freitag: Sie kuratieren das Festival „Abidjan Mouvement“. Was wird dort zu sehen sein?
Wir zeigen vier neue eigene Produktionen, in denen die deutschen Schauspieler Cornelia Dörr und Hauke Heumann mit ivorischen Tänzern und Schauspielern zusammenarbeiten. Die Aufführung Très très fort thematisiert politische Strategien, während der noch anhaltenden Krise in der Côte d’Ivoire, das Tanzstück Les enfants danseurs zeigt die Situation und Ausdrucksformen ivorischer Kindertänzer auf der Rue Princess, die Show Trucs des blancs – trucs des noirs handelt von den kleinen, alltäglichen Unterschieden und Vorlieben der Weißen und der Schwarzen, Danse de buffle beschäftigt sich mit traditionellen Tanzformen im Spannungsfeld zu modernen Tanzformen. Dazu laden wir ivorische Produktionen und Einzelkünstler ein, die ähnliche Fragestellungen behandeln.
Freitag: Was machen Kindertänzer?
Die Kindertänzer zeigen, wie sie angefangen haben in den großen Maquis (Open Air Clubs) zwischen den Tischen für die Erwachsenen zu tanzen. Sie sind entweder Einzelunternehmer oder schließen sich mit zwei, drei Freunden zusammen und ziehen von Club zu Club, um etwas für sich und ihre Familien zu verdienen. Sie entwickeln die aktuellen Tanztrends im Showbiz besonders schnell weiter, indem sie die populärsten Tänze aufgreifen und in publikumswirksame, lustige, skurrile oder virtuose Formen überführen. Sie sind Kinder, aber auch Profis in einem harten Wettbewerb.
Freitag: Wird die Produktion auch in Deutschland zu sehen sein?
Es ist sehr schwierig, für Minderjährige aus prekären Verhältnissen ein Visum zu bekommen. Da steht Kulturaustausch gegen die geltenden Bestimmungen. Bei der Erteilung eines Visums wollen die deutschen Behörden sicher sein, dass jeder Künstler nach dessen Ablauf in die Elfenbeinküste zurückkehrt. Das wird durch den Nachweis eines funktionierenden Bankkontos, eines regelmäßigen und relativ hohen Gehalts, Grundbesitz und ähnliches gewährleistet. Da werden Verhältnisse verlangt, die viele deutsche Künstler nicht nachweisen könnten.
Freitag: Sie werden mit „Logobi 01“ eine Produktion zeigen, die ursprünglich auf ein deutsches Publikum zugeschnitten war. Ändern Sie daran etwas?
Ja, wir werden den Part des deutschen Schauspielers ausbauen, weil die Position des afrikanischen Darstellers hier bekannt ist. Die Reaktionen des Deutschen auf die afrikanischen Tanzformen werden in Abidjan stärker im Mittelpunkt stehen.
Freitag: Welche Reaktionen erwarten Sie vom Publikum?
Die Zuschauer werden sich vermutlich amüsieren über die Versuche des Deutschen, mit dem afrikanischen Tänzer mitzutanzen. Vielleicht spotten sie auch, jeder hält sich hier für einen Tanzexperten, aber beim „Pedaler“, einer schnellen Beinbewegung, werden sie seiner Ausdauer Respekt zollen.
Freitag: Wie sind Sie auf das Projekt Logobi eigentlich gekommen?
Es ging zunächst konkret darum, dass der ivorische Tänzer Gotta Depri anfangen wollte, in Deutschland zu arbeiten. Es stellte sich die Frage, was bedeutet das für einen ivorischen Tänzer? Welche Systeme begegnen sich da? Als Theaterregisseurin kenne ich mich im zeitgenössischen Tanz nicht aus. Ich habe gesagt: Lass uns durch die direkte künstlerische Begegnung mit europäischen Choreografen etwas darüber herausfinden. Logobi 01 ist der Auftakt, der Köder, der zu diesen Begegnungen geführt hat.
Freitag: Spielt Rassismus eine Rolle in der europäischen Rezeption afrikanischen Tanzes?
Ganz bestimmt.
Freitag: Und wie gehen Sie in der Arbeit damit um?
Es gibt Formen von Rassismus, die wir noch nicht ergründet oder erkannt haben. Wir versuchen möglichst ungefiltert wiederzugeben, was viele denken, ohne sofort zu kategorisieren. Deswegen wird uns manchmal vorgeworfen, mit Klischees zu arbeiten oder bestimmte Bilder zu zementieren. In Mehrheitsstandpunkten manifestiert sich aber eine gesellschaftliche Realität, der wir nicht ausweichen wollen. Auf der Bühne können wir sie mit den Standpunkten unserer Darsteller abgleichen und zwar nicht nur im Sinne von Authentizität und Haftung für das Gesagte, sondern auch im Sinne einer individuellen Anarchie der Spekulation.