Birdwatchers. Das Land der roten Menschen
Ein Motorboot mit einer kleinen Touristengruppe fährt auf dem Fluss durch dichten Regenwald. Angespannt fixieren die Vögelbeobachter eine Menschengruppe am Ufer. „Indianer“, Männer in Kriegsbemalung, bekleidet mit Lendenschurzen, Frauen und Kinder stehen dekorativ am Ufer. Die Männer stoßen leise Schreie aus und lassen dazu ihre Pfeile in den Fluss gleiten. Sobald das Boot vorbei ist, verschwinden sie, erhalten an der nächsten Lichtung ein mageres Taschengeld, streifen sich Jeans und T-Shirts über und werden mit dem Pickup zurück ins Reservat gebracht. Ort des Geschehens ist der brasilianische Bundesstaat Mato Grosso do Sul, übersetzt heißt das „dichter Wald des Südens“. Es ist eine Region, in der die Guarani-Kaiowá, das größte indigene Volk Brasiliens, schon seit Jahrhunderten Kontakt mit den Kolonialvölkern hat.
Regisseur Marco Bechis hat nach jahrelangen Recherchen ein Drehbuch geschrieben, das die mentale und reale Krise dieser Ethnie am Beispiel einer kleinen Gruppe schildert: Nachdem sich zwei junge Frauen getötet haben, verlässt Nadio (Ambrósio Vilhalva) mit einigen Leuten das Reservat. Er siedelt sich ganz in der Nähe an, an einem Ort, an dem seine Vorfahren begraben sind. Früher alles Wald, heute rote Erde. Die Siedler errichten Hütten auf einem Feld, zwei junge Männer erlegen aus Mangel die Kuh eines Großgrundbesitzers. Nadio lehnt es mehrmals ab, seine Männer als Tagelöhner fortzulassen, obwohl Geld für Nahrungsmittel gebraucht wird.
Die utopischen Momente dieses undramatisch erzählten Films liegen dort, wo die Jugendlichen beider Lager sich gegenseitig beschnuppern. Maria (Fabiane Pereira da Silva), die Tochter des Großgrundbesitzers stellt neugierige Fragen und der junge Schamane Osvaldo (Abrísio da Silva Pedro) kontert stets schlagfertig. Es entsteht Nähe, weil man sich für die Fremdartigkeit des anderen und überhaupt füreinander interessiert. Und sich auf Augenhöhe begegnet. Diese Augenhöhe, trotz ungleicher Machtverhältnisse, inszeniert Marco Bechis in vielen Begegnungen. Die Guarani fahren zwar mit dem Pferdefuhrwerk in die Stadt, sie sind aber keine Hinterwäldler, sondern Leute, die ihre Lebensform selbstbewusst vertreten. Anpassung ist nötig, muss aber Grenzen haben. Wie sie diese Grenzen definieren und verteidigen, davon handelt der Film Birdwachters.
Bechis hat einen Film gedreht, der die Situation der Guarani konsequent aus deren Perspektive zeigt, ohne sie zu idealisieren. Nach aufwändigen Recherchen konnte er Angehörige vom Stamm der Guarani-Kaiowá gewinnen. Die Laien überraschen als Darsteller durch starke Präsenz. Gelungen ist so nicht nur das Porträt einer Gruppe, die im Kampf um den verlorenen Lebensraum neue Wege beschreitet. Auch die Situation des Kolonialherren (Leonardo Medeiros) wird differenziert beleuchtet. Er ist nicht der brutale Ausbeuter, der über Leichen geht.
Großartig setzt Bechis in seinem Film die Magie des Waldes, die Würde der Guarani visuell in Szene. Und arbeitet immer wieder mit der Spannung zwischen gegensätzlichen Realitäten: Feld und Wald, Tagelöhner und Großgrundbesitzer am Fluss, Schamanen im Pickup, gelangweilte Teenager am Pool.
Birdwatchers zeigt die Guarani nicht als Opfer, aber als Menschen, die ohne Hilfe von außen nicht überleben werden. Der Film leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis ihrer Lage, die alle angeht. Und das nicht nur, weil ihre Sache, die Bewahrung des Regenwaldes, eine Sache der Weltgemeinschaft ist.